Mit der Corona-Pandemie hat sich das Arbeiten zumindest außerhalb der körperlich-handwerklichen Tätigkeit und der Tätigkeiten mit Präsenzpflicht gravierend verändert. Neben Kurzarbeit werden neue Technologien zur Erbringung der Arbeitsleistung in einem Maße genutzt, das bisher nicht vorstellbar war. Homeoffice war früher ein knappes Gut, es wurde über die Zuteilung gestritten, heute ist es fast der Regelfall und wird angeordnet, Sitzungen per Videokonferenz sind Standard da, wo es technisch möglich ist. Lehrveranstaltungen an Schulen und Hochschulen werden auf digitalem Weg abgehalten. Das wird das Arbeiten in Zukunft ändern.

Auch Personalratsarbeit ist zur Zeit nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Nach bisherigen Recht fast aller Personalvertretungsgesetze erfordern die Beratung und Beschlussfassung des Personalrats die körperliche Anwesenheit der Personalratsmitglieder in der Sitzung. Anders gefasste Beschlüsse sind unwirksam. Wenn aber keine Sitzungen zulässig sind, können auch keine (wirksamen) Beschlüsse gefasst werden. In Mitbestimmungsangelegenheiten hätte das die Zustimmungsfiktion zur Folge. Deshalb gibt es jetzt in NRW und Sachsen-Anhalt zeitlich befristete Regelungen über andere Formen der Beschlussfassung. Es gibt aber auch Bestrebungen, dauerhafte Änderungen einzuführen. In der Gesetzesbegründung hat die nordrhein-westfälische Landesregierung ausdrücklich hervorgehoben, dass eine endgültige Regelung im Rahmen der Umstellung aller Vorschriften für eine digitalisierte Verwaltung erfolgt ( Ziffer XII. Art. 15 der Gesetzesbegründung, Drs. 17/8920, Seite 82). Deshalb ist sowohl die Übergangsregelung als auch eine künftige dauerhafte Regelung im Blick zu behalten.

Mit dem Einzug von E-Government und neuen technischen Möglichkeiten können sich auch Änderungen der hergebrachten Grundsätze der Personalratsarbeit ergeben. Für die Personalräte kann dies Zeitersparnis, für die Dienststellen Kostenersparnis bedeuten. Gerade bei Gesamtpersonalräten in der Landesverwaltung, die für das gesamte Land oder einen größeren räumlichen Bereich zuständig sind, liegt häufig die Ausgangszuständigkeit für Mitbestimmungsangelegenheiten, deren Sitzungen sind aber mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden.

Soweit ersichtlich gibt es zur Zeit in sechs Bundesländern Abweichungen von der bisherigen Form der Beratung und Beschlussfassung. In vier Bundesländern sind Umlaufverfahren möglich, in zwei auch die elektronische Abstimmung.

Umlaufverfahren sind in einigen Bundsländern schon länger möglich. In Sachsen in allen Angelegenheiten von allen Gremien, in in Bayern für einfache Angelegenheiten, in Rheinland-Pfalz und im Saarland für Stufenvertretungen.

Unabhängig von der Corona-Pandemie 2020 hat Sachsen das Umlaufverfahren in dem am 1.1.2018 in Kraft getretenen § 35 Abs. 5 SächsPerVG ermöglicht. Danach kann der Vorsitzende im schriftlichen Umlaufverfahren beschließen lassen, wenn dem kein Mitglied widerspricht. Das Verfahren muss in einer einstimmig beschlossenen Geschäftsordnung näher geregelt werden, § 43 Satz 2 SächsPersVG. Gefordert wird aber nach wie vor ein schriftliches Verfahren. Nach § 126 Abs. 1 BGB ist dazu grundsätzlich eine eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnete Urkunde erforderlich. Nach § 126 Abs. 3 BGB kann die schriftliche Form durch die elektronische ersetzt werden. Die elektronische Form erfordert aber eine qualifizierte elektronische Signatur, § 126a BGB, an der es in der Regel fehlen dürfte.

In Bayern lautet Art. 37 Abs. 3 BayPVG: "In einfachen Angelegenheiten kann der Vorsitzende im schriftlichen oder elektronischen Umlaufverfahren abstimmen lassen, wenn kein Mitglied des Personalrats diesem Verfahren widerspricht." Das elektronische Umlaufverfahren dürfte der elektronischen Abstimmung ähneln.

Das LPersVG Rheinland-Pfalz bestimmt in § 55 Abs. 4: "Über Angelegenheiten, in denen die Stufenvertretung mitbestimmt, kann die Vorsitzende oder der Vorsitzende im schriftlichen Verfahren abstimmen lassen. Die Abstimmung muss in einer Personalratssitzung erfolgen, wenn im Einzelfall ein Drittel der Mitglieder dem schriftlichen Verfahren widerspricht."

§ 53 Abs. 2 SPersVG hat folgenden Wortlaut: "Über Angelegenheiten, in denen die Stufenvertretung nach §§ 78 und 80 mitbestimmt, kann der Vorsitzende im schriftlichen Verfahren abstimmen lassen, es sei denn, ein Mitglied widerspricht."

Da schriftliche Umlaufverfahren in Zeiten von E-Government nicht die Zukunft sein werden, lohnt ein Blick auf die elektronische Abstimmung.

In Sachsen-Anhalt und NRW sind im Rahmen der Corona-Gesetzgebung zeitlich befristete Möglichkeiten des Umlaufverfahrens und der elektronischen Abstimmung eingeführt worden. Die Regelung sind fast inhaltsgleich. In Sachsen-Anhalt lautet sie in Art. 1 § 1 Abs. 5 des Gesetzes zur Verschiebung der Personalratswahlen 2020, zur Änderung des Gesetzes über die Verkündung von Verordnungen und zur Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes Sachsen-Anhalt (Drs. 7/5933): "Abweichend von § 35 Abs. 1 und 2 des Landespersonalvertretungsgesetzes Sachsen-Anhalt gilt bis zur Neuwahl nach Absatz 4 Nr. 1 (Anm.: bis spätestens 31.12.2020), dass Beschlüsse des Personalrates auch wirksam sind, wenn sie mittels Umlaufverfahren oder elektronischer Abstimmung der erreichbaren Mitglieder gefasst werden. " In NRW ist in Art. 15 Nr. 2 des Gesetzes zur konsequenten und solidarischen Bewältigung der COVID-19-Pandemie in Nordrhein-Westfalen und zur Anpassung des Landesrechts im Hinblick auf die Auswirkungen einer Pandemie (Drs. 17/8920) geregelt: "Längstens bis zum Ende der in § 23 Absatz 1 Satz 3 verlängerten Amtszeit (Anm.: 30.6.2021) gilt abweichend, dass Beschlüsse auch wirksam sind, wenn sie mittels Umlaufverfahren oder elektronischer Abstimmung erfolgt sind."

Der Bund plant Beschlussfassungen per Video- oder Audiokonferenz zu ermöglichen.

Da sowohl Umlaufverfahren als auch elektronische Abstimmung als zusätzliche Möglichkeiten eingeführt werden, wird der Personalrat nicht verpflichtet, Beschlüsse außerhalb der Sitzungen zu fassen. Insofern könnte man meinen, dass es dann auch kein Problem darstellt. Allerdings kann es einen faktischen Druck zur Nutzung dieser Mittel geben um Zeit und Kosten zu sparen.

Unter Umlaufverfahren ist dabei das gleiche zu verstehen wie z.B. in der sächsischen Regelung. 

Elektronische Abstimmung ist etwas anderes als die in § 126a BGB geregelte elektronische Form. Unter elektronische Abstimmung kann jede Form der Willensäußerung auf elektronischen Weg verstanden werden. Das kann per E-Mail oder mit Hilfe einer Abstimmfläche im Intranet des Personalrats oder im Rahmen einer speziellen Software geschehen. Es könnte auch im Rahmen einer Videokonferenz des Personalrats abgestimmt werden. Es gibt weder in Sachsen-Anhalt noch in NRW ergänzende Verfahrensvorschriften, so dass sich eine Reihe von Fragen, die auch den Regelungsbedarf umreißen, stellen:

Nr. Frage/Problem Vorschlag/Anforderung
1 Wer entscheidet über die Form der Beschlussfassung? Da es ja nicht das gesamte Gremium sein kann, wird die Zuständigkeit beim Vorsitzenden oder Vorstand liegen. Für eine dauerhafte Regelung muss die Zuständigkeit über die Formen der Beschlussfassung beim Gremium liegen und in der Geschäftsordnung geregelt werden. Das betrifft auch die Bestimmung, welche Form der Abstimmung in welchen Beteiligungsangelegenheiten zur Anwendung kommt.
2 Bei der elektronischen Abstimmung ist eine geheime Abstimmung in der Regel nicht möglich. Nach den derzeitigen Regelungen muss im Regelfall schriftlich und geheim abgestimmt werden, wenn ein Mitglied einer offenen Beschlussfassung widerspricht. De facto wird dieses Recht außer Kraft gesetzt. Eine geheime Abstimmung ist sicherzustellen.
3 Da es teilweise um schützenswerte Personalangelegenheiten geht, ist sicher zu stellen, dass diese geheim bleiben. Gleiches gilt natürlich für das Abstimmungsverhalten der Personalratsmitglieder. Sichere Datenverbindungen sind erforderlich, insbesondere bei mobilen Verbindungen und Nutzung privater Geräte.
4 Werden eingeladene, aber nicht an der Abstimmung teilnehmende Mitglieder als anwesend für die Feststellung der Beschlussfähigkeit und der Mehrheit gewertet? Die Bestimmung der Beschlussfähigkeit und der Mehrheit muss für die elektronische Abstimmung gesondert geregelt werden, aber nicht wie in Sachsen-Anhalt (siehe unten) .
5 Welche Technik dürfen die Personalratsmitglieder für die Abstimmung nutzen? Sind Privatgeräte zulässig? Die Dienststelle muss Geräte, Software und Datenverbindungen zur Verfügung stellen, die für die elektronische Abstimmung erforderlich sind.
6 Was passiert, wenn ein Personalratsmitglied eine (mündliche) Beratung im Einzelfall für erforderlich hält? Ist dann (zusätzlich) eine Sitzung durchzuführen?  Die Beratung im gesamten Gremium darf  nicht unterbunden werden. Ähnlich wie die Erörterung durch die Dienststellenleitung muss diese ermöglicht werden. Dann müssen aber auch Fristen verlängert werden.
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